Murrelektronik und die Entzauberung des Schleifenwiderstands | Murrelektronik

Murrelektronik und die Entzauberung des Schleifenwiderstands

Was um Himmelswillen ist denn eine „Kanalüberwachung“! Und dann auch noch in Verbindung mit dem Begriff „selektiv“? Schnell formen sich da Bilder von gigantischen Hochseeschiffen auf ihrem Weg durch den Nord-Ostsee-Kanal, um sich den rund 250 Seemeilen langen Umweg durch Nordsee, Skagerrak und Kattegat zu sparen. Und weil der Lotse währenddessen lieber auf dem Smartphone seinen Nachrichtenstatus checkt als seiner eigentlichen Arbeit nachzugehen, überwacht er die Kanalpassage halt nur selektiv!

Wenn Leitungsschutzschalter nicht funktionieren

Dies ist zwar eine schöne Interpretation der „selektiven Kanalüberwachung“, aber sie ist eben falsch. Fachleute, die schon einmal Stunden bei der Fehlersuche an einer Maschine zugebracht haben, wissen das. Besonders aufwendig ist diese in komplexen Systemen, in denen getaktete Stromversorgungen am Ausgang die Spannung und den Strom elektronisch regeln.

Hier kann es nämlich sein, dass im Kurzschluss- oder Überlastfall sekundäre Sicherungen langsamer reagieren als das Netzgerät und dadurch diese Selektivität entfällt. Dies führt zu kritischen Situationen, wie zum Beispiel Spannungseinbrüche, und im schlimmsten Falle sogar zu Leitungsbränden. Doch wie ist es möglich, dass diese nachgeschalteten Schutzorgane nicht reagieren? Dazu bedarf es eines Blickes knapp 30 Jahre zurück.

Überzeugendes Argument: hohe Kurzschlusssicherheit

Es war zu Beginn der 90-er Jahre, als sich im Maschinen- und Anlagenbau ein Wandel anbahnte: der Wechsel von Trafo- hin zu den elektronischen Stromversorgungen. Zu Beginn war es nur eine kleine Schar, die sich traute, die Vorzüge der neuen Geräte zu nutzen. Eine geregelte 24-V-Gleichspannung und Kurzschlusssicherheit nach einer fest definierten Kennlinie klangen für potenzielle Anwender offenbar zu schön, um wahr zu sein!

Doch der Aufstieg der elektronisch geregelten Stromversorgung war von da an nicht mehr aufzuhalten, da immer mehr OEM von deren Vorteilen profitieren wollten. Vor allem die hohe Kurzschlusssicherheit war ein Argument, das überzeugte. Blieb in den bis dahin verwendeten Trafo-Netzgeräten nämlich ein Kurzschluss unbemerkt, heizte dieser die nachfolgende Installation auf und setzte diese unter Umständen sogar in Brand. Mit den elektronisch geregelten Stromversorgungen kauften die Anwender dagegen moderne Technologie und zugleich eine höhere Betriebssicherheit mit ein.

Die Suche nach Kurzschlüssen außerhalb des Schaltschranks

Wie war es aber mit Kurzschlüssen außerhalb des Schaltschranks? Ausgangsseitige Leitungsschutzschalter, in der Praxis oftmals mit einem auf die Steuerung gehenden Signalkontakt kombiniert, detektierten zuverlässig Überlast und Kurzschlüsse im Feld. Wieso sollte also diese Form der Absicherung, die sich über Jahrzehnte hinweg bewährt hatte, nicht beibehalten werden? Was bei einem Trafo-Netzgerät gut und recht war, so die Überlegung vieler Anwender, musste dann bei einer elektronisch geregelten Stromversorgung ja wohl erst recht gut sein! Diese falsche Annahme ließ in den kommenden Jahren manchen Elektriker bei der Fehlersuche verzweifeln. Lag der Grund für diese Störung beispielsweise in einer blanken Leitung in einer Schleppkette, konnte allein schon die Eingrenzung des Fehlers viele Stunden, wenn nicht sogar mehrere Tage dauern.

Schleifenwiderstand als Übel

Wie konnte es aber sein, dass die getakteten Netzteile mit ihren Vorzügen nicht fähig waren, Leitungsschutzschalter zuverlässig auszulösen? Diese Frage trieb nicht nur die Hersteller der elektronisch geregelten Stromversorgungen um, sondern trieb auch Anbieter von Automationslösungen zum Experimentieren.

Wer am Ende den Ausruf „Heureka“ für sich beanspruchen durfte, lässt sich heute nicht mehr eindeutig klären. Allerdings ist das auch nicht so wichtig. Viel interessanter ist das Ergebnis unzähliger Versuche und Berechnungen – zumal diese einen banalen Grund für das Phänomen der nicht auslösenden Leitungsschutzschalter ausmachten: den Schleifenwiderstand! Die vom Markt so begeistert gefeierten elektronisch geregelten Stromversorgungen waren wegen diesem schlicht nicht dazu in der Lage, den für das Auslösen benötigten Strom für mindestens 100 ms bereitzustellen. 

Video: Mico Pro – Stromüberwachung maximal modularisiert

Die Berechnung des Schleifenwiderstands

Der Schleifenwiderstand also! Um zu verstehen, wieso ausgerechnet dieser neueste Technologie aushebelt, bedarf es eines Abstechers in die Grundlagen der Maschinen- und Anlagenbauplanung. In dieser war es bis vor 30 Jahren eigentlich gang und gäbe, die Installation im Feld mit Typ-C-Leitungsschutzschaltern abzusichern. Was das in Kombination mit einer getakteten Stromversorgung bedeutet, erklärt ein Beispiel, in dem ein Automat mit 6-A-Nennstrom zur Anwendung kommt. Dieser benötigt gemäß der Formel 14 x Inenn einen Auslösestrom von 14 x 6 A, was in der Multiplikation 84 A entspricht. Damit eine 24-V-Stromversorgung diese 84 A überhaupt bereitstellen kann, darf deren Widerstand jedoch nur maximal 286 mΩ betragen.

Dass dieser Widerstandwert unrealistisch ist, zeigt ein Praxisbeispiel, bei dem der Schleifenwiderstand einer 5 m langen Sensorleitung mit einer Leitungsquerschnitt von 0,34 mm2 berechnet wird. Deren Widerstand ergibt sich aus der Formel R = ρ x l / A, wobei l wegen der Hin- und Rückleitung mal zwei zu nehmen ist.

Werden nun die einzelnen Werte unter Berücksichtigung des spezifischen Widerstands ρ von Kupfer (0,0178 Ω x mm2/m) eingesetzt, ergibt sich bereits ein Widerstand von 520 mΩ. Mit den weiteren Widerständen der Verteilerleitung und der Litzen sowie die Innenwiderstände der Leitungsschutzschalter und Anschlussklemmen addiert sich der Gesamtwiderstand auf über 1,3 Ω.

Auf die Formel U = R x I angewendet, bedeutet dies, dass in einer elektronisch geregelten 24-V-Stromversorgung ein maximaler Stromfluss von 18,18 A möglich ist. Diese genügen allerdings nicht, um einen Typ-C-Leitungsschutzschalter mit 6 A Nennstrom auszulösen. Er würde, wie beschrieben, mindestens 84 A benötigen.

Video Funktionsweise von Leitungsschutzschaltern und Schutzwiderstand

   

Kontaktmöglichkeiten

Telefonische Informationen
erhalten Sie unter der Rufnummer:

Bewerbungen per E-Mail
senden Sie bitte an die:

Bewerbungen per Post an

Guten Tag
Newsletter
Wir sind für Sie da!
Sie erreichen uns über viele Kanäle…